Hochbahn setzt sich über Kontaktbeschränkung hinweg (UPDATE)

Kein Abstand bei der Hochbahn
Kein Abstand bei der Hochbahn

Eigentlich sollte mittlerweile jeder verstanden haben, dass Abstand halten die effektivste Maßnahme ist, die Ausbreitung von Corona zu verhindern. Die Hochbahn setzt sich jedoch eigenmächtig über diese Kontaktbeschränkung hinweg. Warum?

Die Theorie

Die Hochbahn gibt sich nach außen hin verständnisvoll für die geltende Kontoaktbeschränkung, um die Ausbreitung von Corona zu verhindern. Abstand halten ist – auch heute – immer noch das Mittel der Wahl.

Dazu hat die Hochbahn eine eigene Seite eingerichtet, die erklärt, welche Maßnahmen die Hochbahn ergreift. An und für sich löblich, so wird dort auch erklärt, dass die Hochbahn den Kontakt ihrer Mitarbeiter/innen mit Fahrgästen auf das nötigste reduziert und daher (unter anderem) an Bussen die Einstige im mittleren und ggf. hinteren Wagenteil genutzt werden sollen. Ein Fahrkartenverkauf im Bus findet nicht mehr statt und die Türen werden automatisch geöffnet.

Diese Maßnahmen sind grundsätzlich absolut sinnvoll und begrüßenswert. Die Hochbahn kann die Kontaktbeschränkung auf diese Weise sinnvoll unterstützen.

Die Praxis

Wer regelmäßig Bus fährt, wird jedoch bemerken, dass das mit den Türen so ein Thema für sich ist… Nicht jeder Fahrer kann – oder will – die Türen immer automatisch öffnen. An und für sich halb so wild, da die Absicht, die damit verbundene Schmierinfektion zu vermeiden, laut RKI ohnehin eine vernachlässigbare Rolle spielt.

Das ist übrigens auch der Grund, warum die Hochbahn – richtiger Weise – auf eine häufigere Desinfektion verzichtet: sie macht einfach keinen Sinn.

Fatal ist allerdings, dass die Hochbahn es ihren Mitarbeitern laut eigener Aussage gestattet, den nötigen Mindestabstand zu unterschreiten. So behauptet die Hochbahn in einer Facebook-Nachricht: „Busfahrer in Dienstkleidung dürfen vorne bei Ihren Kollegen mitfahren“.

Nein, dürfen sie natürlich nicht. Die Hochbahn ist weder per Gesetz, noch per Verordnung, dazu ermächtigt, eigene Regeln für ihre Mitarbeiter aufzustellen, die die bestehenden Gesetze oder Verordnungen „lockern“.

Diese – sehr eigenwillige – Regelung der Hochbahn führt dann zu sowas:

kein Abstand bei der Hochbahn
kein Abstand bei der Hochbahn – Bildnachweis: privat

Ein Fahrer der Hochbahn hält ein kleines Pläuschchen mit einer anderen Person. Ob diese Person Mitarbeiter ist, oder nicht, ist nicht bekannt, zumindest trägt der gute Mann Privatkleidung. Im Endeffekt kommt es darauf aber auch garnicht an, denn ganz sicher ist diese Situation kein „erforderlicher Kontakt“.

Auch für die Mitarbeiter der Hochbahn gilt – selbstverständlich – die „Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg (Hamburgische SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO) vom 2. April 2020“.

Dieses Wortungetüm ist allgemein als „Corona-Verordnung“ bekannt.

Rechtliche Einordnung

Eben jene Corona-Verordnung schreibt den bekannten Mindestabstand von 1,50 Meter vor (§ 1 (1)) und definiert, wer sich denn so allgemein draußen aufhalten darf, zu welchem Zweck, und wer nicht.

Natürlich kennt die Verordnung auch Ausnahmen für die Personengruppen, die trotzdem zusammenkommen müssen. So regelt § 3 (1) 1, dass es Ausnahmen (unter anderem) für Personen gibt, die für ihre Berufsausübung zusammenkommen müssen.

Ausnahmen für Mitarbeiter der Hochbahn kennt die Corona-Verordnung nicht. Sie kennt aber Ordnungswidrigkeiten und Bußgelder. So sieht der Bußgeldkatalog folgende Regelung vor:

Soweit die räumlichen Bedingungen und die Art des Betriebs oder der Dienstleistung es zulassen, müssen die hierbei anwesenden Personen einen Mindestabstand von 1,5 Meter zueinander einhalten.

Bußgeldkatalog der Stadt Hamburg

Sanktioniert wird ein Verstoß mit einem Bußgeld in Höhe von 500 Euro bis zu 1.000 Euro, „je nach Geschäftsgröße“.

Es steht sicherlich außer Frage, dass der Abstand im Bus eingehalten werden könnte. Wenn man denn wollte.

Ist doch nicht so schlimm – oder?

Man könnte jetzt natürlich davon ausgehen, dass so ein Verhalten ja harmlos sei, „ist doch nicht schlimm“ hört man oft bei Kritik an solchem Verhalten.

Doch, es ist schlimm. Erst Mittwoch haben Bund und Länder sich auf eine Verlängerung der Kontaktbeschränkungen verständigt. Großveranstaltungen werden bis August untersagt. Die Bevölkerung ist weiter überwiegend auf ihre eigenen vier Wände beschränkt. Und das ganze mit dem Ziel, die Ausbreitung des Virus weiterhin zu verhindern.

Grade diese Verbreitung wird aber durch ein solches Verhalten der Hochbahn gefördert. Wie mittlerweile bekannt ist, verlaufen enorm viele Infektionen mit garkeinen oder sehr schwachen Symptomen. Niemand kann wissen, ob er mit Corona infiziert ist, oder nicht – bis er einen Test gemacht hat.

Auch die Mitarbeiter der Hochbahn sind nicht davor gefeit, eventuell Träger (und Verbreiter) des Virus zu sein, ohne es zu wissen. Es muss also noch nicht einmal böse Absicht dahinterstecken, wenn man das Virus verbreitet. Daher ist es eben so wichtig, nur dort in persönlichen Kontakt zu treten, wo es sein muss. Das Pläuschchen mit einem Kollegen gehört nicht dazu.

Kritik bei der Hochbahn: unerwünscht

Auf eine entsprechende Kritik bei der Hochbahn über deren Community-Funktion auf Facebook reagiert diese harsch und inhaltlich abweisend.

Man hat mich aufgefordert, das Bild zu entfernen, man würde Busnummer und (im Spiegel) das Gesicht des Busfahrers erkennen – das würde Datenschutzrechte verletzen und sei daher unzulässig.

Mit dem vorstehend bereits erwähnten Satz („Zur Info: Busfahrer in Dienstkleidung dürfen vorne bei Ihren Kollegen mitfahren.“) wurde dann noch ganz kurz und knapp ausgeführt, dass sich die Hochbahn für sich und ihre Mitarbeiter das Recht herausnimmt, sich über die Corona-Verordnung hinwegzusetzen und die Hochbahn es ihren Mitarbeitern gestattet hat, in Dienstkleidung den erforderlichen Mindestabstand zu unterschreiten.

Datenschutzbedenken der Hochbahn

Die Datenschutzbedenken der Hochbahn kann ich nicht nachvollziehen.

Dass eine Busnummer kein personenbezogenes Merkmal ist, sondern den Bus identifiziert, und nicht den Fahrer, dürfte jedem klar sein. Die Busnummer ist dauerhaft dem Bus zugeordnet, und wechselt nicht, wenn der Fahrer das Fahrzeug wechselt.

Zu der Definition dessen, was personenbezogene Merkmale sind, lohnt sich ein Blick in die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO):

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen identifiziert werden kann, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind.

Artikel 4, Absatz 1 der DS-GVO

Siehe da, Busnummern der Hochbahn sind also keine personenbezogenen Daten. Wer hätte es gedacht…

Das gegenständliche Foto habe ich mir mit 12-facher Vergrößerung angesehen und kann auch dort im Spiegel kein (vollständiges) Gesicht erkennen. Man erkennt lediglich eine (beginnende) Glatze des Fahrers und Teile der Stirn. Beides sind keine personenbezogenen Merkmale. Ein Bild als ganzes im Übrigen auch nicht.

Die Veröffentlichung des Bildes einer Person ist grundsätzlich auch kein datenschutzrechtliches Problem, sondern wäre ein Problem mit dem Recht am eigenen Bild.

Also: selbstverständlich ist es nicht statthaft, Aufnahmen von Personen ohne deren Einverständnis zu veröffentlichen. Hierbei gilt aber zu beachten, dass ja eben nicht das Bild des Fahrers veröffentlich wurde.

Unabhängig davon haben Personen es auch hinzunehmen, als „Beiwerk“ veröffentlicht zu werden. Daran ändert auch die DS-GVO nichts: wird beispielsweise ein Objekt fotografiert, und dort laufen zufällig ein paar Personen durch’s Bild, die aber ganz offensichtlich nicht den Mittelpunkt der Aufnahme bilden (sollen), so haben diese grundsätzlich keinen Unterlassungsanspruch.

Erst recht kann hier kein Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden, wenn es sich um die Haare und die Stirn eines fingernagelgroßen Spiegelbildes handelt.

Die Argumente der Hochbahn sind also ganz offensichtlich vorgeschoben und sollen vermutlich von der eigentlichen Kritik ablenken.

Nichtsdestotrotz habe ich, um jedwede Konfliktsituation zu vermeiden, das Bild um den gegenständlichen Spiegel und die Busnummer beschnitten.

Datenschutzprobleme bei der Hochbahn

Erschreckenderweise wird durch den Kommentar der Hochbahn auf ihrer Facebookseite aber klar, dass diese offensichtlich enorme Datenschutzprobleme hat: so räumt das Social-Media-Team der Hochbahn ein, dass es wohl ohne weiteres für ihre Mitarbeiter möglich sei, anhand der Busnummer und der Uhrzeit den Fahrer zu ermitteln:

Kommentar der Hochbahn
Kommentar der Hochbahn – Bildnachweis: privat (Screenshot)

Das ist natürlich ein Umstand, der absolut unhaltbar ist. Es ist der Hochbahn hoch anzurechnen, dass sie ihre Datenschutzprobleme kennt und diese auch offen kommuniziert. aber auch das kann natürlich nicht zur Folge haben, dass die Hochbahn öffentliche Kritik unterbinden will.

Zensur bei der Hochbahn

Nachdem sich auch unbeteiligte Dritte in dem Facebook-Beitrag zu Wort gemeldet haben und die Hochbahn darauf hinwiesen, dass das gezeigte Verhalten in der aktuellen Situation absolut indiskutabel ist, reagierte die Hochbahn mit der Ankündigung der Löschung des Beitrages.

Man berief sich – wiederholt – auf angebliche Datenschutzverstöße und kündigte daher die Löschung der Kritik an. Die mittlerweile in diese Diskussion eingestiegenen Personen warfen der Hochbahn ebenfalls vor, auf die Kritik nicht einzugehen und teilten den Beitrag in ihrer eigenen Chronik.

Das hielt die Hochbahn allerdings nicht davon ab, den Beitrag tatsächlich zu löschen:

Hochbahn löscht die Kritik
Hochbahn löscht die Kritik – Bildnachweis: privat (Screenshot)

Was die Hochbahn im Rahmen der geführten Diskussion jedoch schuldig blieb, war eine (inhaltliche) Antwort – schade.

Stellungnahme bei der Hochbahn angefragt

Um der Hochbahn die Chance zu geben, zu der Kritik Stellung zu beziehen, habe ich dort um eine Stellungnahme gebeten. Sobald diese vorliegt, werde ich diese hier veröffentlichen.

UPDATE: keine Stellungnahme der Hochbahn (22.04.2020)

Die Hochbahn weigert sich bisher, Stellung zu beziehen. Dass eine entsprechende Stellungnahme später eingeht, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber wohl unwahrscheinlich.