Maßnahmenplan der S-Bahn und der Stadt Hamburg

Längst überfällig, leider inhaltslos...

Mann vor Whiteboard
Mann vor Whiteboard (Symbolbild) - Bildnachweis: StartupStockPhotos / Pixabay

Am 16. November 2019 hat die S-Bahn in ihrem Magazin ganz stolz verkündet, dass sie in Zusammenarbeit mit Politik und den Häuptlingen der DB beim Arbeitstreffen „Runder Tisch – Qualität und Pünktlichkeit der DB in Hamburg“ einen Maßnahmenplan verabschiedet hat. So weit, so überfällig.

S-Bahn gibt sich problembewusst

Klar ist, dass wir die Betriebsqualität weiter verbessern wollen. Dafür setzen sich die Verantwortlichen aus Politik und der Deutschen Bahn zusammen, um schnelle und effektive Lösungsansätze zu erarbeiten.

Maßnahmenplan mit der Stadt Hamburg

Okay, die S-Bahn hat also endlich eingestanden, dass so einiges im Argen liegt – immerhin. Bis vor kurzem hat Kay Uwe Arnecke, Geschäftsführer der Hamburger S-Bahn, in Interviews immer noch gern behauptet, dass die Hamburger S-Bahn „traditionell eine der pünktlichsten in Deutschland“ sei. Jeder Pendler, der auf die S-Bahn angewiesen ist, würde das mit Herrn Arnecke sicherlich gern mal persönlich diskutieren wollen…

Nun haben die Herrschaften aus Politik- und Bahn-Kreisen also diesen Maßnahmenplan entwickelt. Und sind darauf sehr stolz. Und reiben dem auch gerne jedem unter die Nase, der etwas an der S-Bahn auszusetzen hat. Und haben in dem Plan eigentlich nichts konkretes festgehalten…

Was steht da eigentlich drin?

Das ist genau das Problem: eigentlich nichts. Dieser „Plan“ ist in Wirklichkeit nichts anderes, als eine reine Willensbekundung… Man ist sich der Probleme bewusst, man will was dagegen tun, man plant etwas…

Was die Verantwortlichen aber schuldig bleiben, sind konkrete, nachvollzieh- und messbare Ansätze.

Schnelle Hilfe bei Störungen

An erster Stelle berichten die Verantwortlichen von einer „schnellen Eingreiftruppe“. Klingt ganz nett, aber es fehlt konkretes: Wo? Wie? Zu welchen Zeiten? Zuständig für was? Diese Informationen fehlen komplett.

„Ab sofort“, also seit November 2019, wolle man diesen Trupp bereitstellen. Zu merken ist davon aber nichts: immer noch massenhaft „defekte Weichen“, „gestörte Bahnübergänge“ oder „blockierte Türen“ als Begründung für die täglich mehrfachen Verspätungen, Störungen und Ausfälle.

Ungebetene Gäste mit Zäunen fernhalten

„Betriebsfremde Personen im Gleisbereich“ hat auch jeder Pendler sicher schon mal als Ansage gehört oder auf den digitalen Zielanzeigern gelesen. Gemeint sind damit meistens Sprayer, „spielende“ Kinder oder Obdachlose, die sich einen Schlafplatz suchen…

Natürlich geht Sicherheit vor und es ist nachvollziehbar, dass der Zugverkehr unterbrochen werden muss, bis diese lieben Leute ihren Hintern aus dem Gleisbereich entfernt haben – freiwillig oder mit Hilfe der Bundespolizei.

Aber mal ehrlich: wann gibt’s das schon mal? Sicherlich ist das eine der seltensten Ursachen für Störungen – nichts desto Trotz will die Bahn hier aktiv werden und die Möglichkeiten, von einer S-Bahn-Station in den Tunnel zu gelangen, unterbinden. Zusätzlich soll die Strecke vom Hauptbahnhof bis nach Harburg und Bergedorf eingezäunt werden. Die S-Bahn veranschlagt hierfür Kosten in Höhe von 5 Millionen Euro; das ist eine Menge Geld, das bei den Problemen der S-Bahn sicherlich an anderer Stelle intelligenter und effezienter investiert wäre.

Immerhin: das ist der einzige Punkt des Maßnahmenplans, mit dem die S-Bahn laut ihrem Magazin bereits begonnen hat.

Neue Infrastruktur

Zweifelsohne ist jedem die marode Infrastruktur der S-Bahn bekannt: täglich fallen Züge aus oder verspäten sich, weil die Streckentechnik nicht mitspielt.

Zuständigkeits-Wirrwar

Ursächlich ist hierfür das verzweigte „System Bahn“ – selbst einige Mitarbeiter eines Bahn-Unternehmens wissen nicht, wer im Endeffekt für was zuständig ist. Die Organisationsstruktur ist so undurschaubar geworden, dass bei Facebook die Jungs und Mädels vom Social-Media-Team gelegentlich selber zugeben müssen, dass sie erst einmal herausfinden müssen, wer denn eigentlich für was zuständig ist.

Die S-Bahn Hamburg in diesem System

Die S-Bahn Hamburg GmbH ist zwar ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG, allerdings der DB Regio zugeordnet. Die Infrastruktur, also „die Strecke“, wird jedoch von der DB Netz AG betrieben, die S-Bahn Hamburg nutzt diese also lediglich und zahlt dafür ein paar (mehr) Euronen an die DB Netz AG.

Lustig wird’s aber bei der Tatsache, dass die S-Bahn Hamburg GmbH, der die ganzen Schienen, Weichen, Signale, etc. garnicht gehört, sondern die sie „nur“ nutzen darf, im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages wichtige Funktionen wieder von der DB Netz AG auf sich selbst zurückübertragen hat. Hierzu gehören beispielsweise die Betriebsführung, die Fahrgastinformation, die Sicherheit auf den Stationen sowie die Fahrplangestaltung. Verrückt, oder?

Wer zahlt dafür?

Die Infrastruktur ist übrigens bewusst in dem bescheidenen Zustand, in dem sie ist: wenn DB Netz etwas instandhalten muss, muss die Bahn hierfür selber aufkommen. Geht jedoch etwas kaputt und muss neu gebaut werden, springt der Bund ein. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Bahn sich jahrelang nicht um die Infrastruktur gekümmert hat, sie also bewusst hat kaputt gehen lassen, damit nicht sie selber Geld in die Hand nehmen muss, sondern der Bund. Und eben dieser hat das Spielchen mitgespielt und von seinem Aufsichtsrecht keinen Gebrauch gemacht, sondern die Bahn gewähren lass.

Kontrollen unerwünscht

Lustiger Sidefact: die Bahn verweigert, obwohl der Staat ihr Eigentümer ist, dem Bundesrechnungshof Auskünfte zu ihrer Geschäftspraxis. Die Bundesregierung weiß hiervon und unternimmt dagegen: nichts.

Die Bundesregierung duldet, dass die im Alleineigentum des Bundes stehende Deutsche Bahn AG (DB AG) dem Bundesrechnungshof Auskünfte über ihre Geschäftstätigkeit verweigert. Die DB AG ist wie viele andere Bundesunternehmen zu Auskünften gesetzlich und per Satzung verpflichtet.

2019 Bemerkungen Nr. 13 – Deutsche Bahn AG verweigert Auskünfte über Stromverkauf an Privatpersonen – Bund nimmt rechtswidriges Verhalten hin

Technik aus des Kaiser’s Zeiten…

Es wundert also niemanden so wirklich, dass die Technik teilweise uralt ist. Das älteste der 17 vorhandenen Stellwerke stammt aus dem Jahr 1921, das „neueste“ wurde 2008 in Betrieb genommen. Es gibt Stellwerke, die man eigentlich nur noch aus (sehr) alten Filmen kennt:

Stellwerk Sülldorf – Bildnachweis: privat

Ebenso wenig verwunderlich ist es daher, dass es oft zu technischen Störungen kommt. Eine Modernisierung ist also sehr zu begrüßen, aber auch hier bleiben Politik und Bahn die wichtigsten Informationen schuldig: Wann, Wie, Wo?

Schönere Tunnelstationen

Sicher, eine ansprechende Optik ist immer toll, aber werden dadurch Verspätungen, Zugausfälle und blockierte Türen gelöst…? Eher weniger.

Und Hand auf’s Herz: einige Stationen haben den Charme von Dresden 1945. Wenn man sich alleine mal die Station Harburg anschaut, denkt man unweigerlich „hier wird doch bestimmt ein Horrorfilm mit einer Mordszene gedreht, im Jahre 2020 kann es doch nicht wirklich so aussehen…“

Doch es kann.

Die Idee, was dagegen zu tun, ist daher toll – aber es passiert nichts. Es werden Verantwortlichmeiten von sich gewiesen. Schaut man mal auf die Facebook-Seite der S-Bahn, findet man dort auch viele Nachfragen zu den unhaltbaren Zuständen. Die Reaktionen sind immer gleich: man sei nicht zuständig, man leite das gerne weiter, man verweist an DB Station & Service… nur eines tut man nicht: etwas ändern.

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Auch ein Bericht der MOPO, der die – mittlerweile – seit 5 jahren anhaltende Zustände in Harburg dokumentiert, belegt, dass die Bahn offensichtlich resigniert hat – es passiert einfach nichts; zumindest nichts, was man sehen kann. Auch bei Facebook häufen sich die Beiträge, die die Bahn jedoch garnicht oder nur ausweichend beantwortet.

Saubere Bahnhöfe

Das wäre was! Es würde für den Anfang schon reichen, die Mülleimer mal öfter zu leeren – vielleicht verringert sich der herumliegende Müll dann ja auch ganz von alleine…?

Aber auch hier, wie bei allen anderen Punkten auch: kein wann, kein wo, kein wie.

Fazit

Der Maßnahmenplan ist ein inhaltsloses Papier, das mutmaßlich auf Grund des enorm öffentliches Druckes entstanden ist. Bürger meckert mit Politik, Politik will nicht verantwortlich sein, meckert also mit der Bahn. „Bahn“ ist aber ein Konstrukt aus mehreren hundert Unternehmen, da ist generell niemand zuständig.

Man setzt sich also hin, entwickelt diesen „Plan“, der des Wortes nicht würdig ist, und präsentiert ihn der Öffentlichkeit. Es gab eine „heiße Phase“, da wurde dieser Plan in die Textbausteine des Social-Media-Teams aufgenommen, und jede dritte Antwort verwies auf diesen Plan.

Dumm nur, dass regelmäßige Bahnfahrer sich die Mühe gemacht haben, diesen Plan einmal zu lesen, und ihn seitdem auch regelmäßig auf Facebook zerpflücken.

Seit einigen Wochen verzichtet die S-Bahn auch wieder auf die Erwähnung dieses tollen Plans…