„Hotspots“: dickes Eigentor für den Senat

Reeperbahn am Karfreitag
Reeperbahn am Karfreitag - Bildnachweis: HAMBURG INSIDE

Seit über drei Wochen leben wir in Hamburg mit Bereichen, an denen der Senat die Grundrechte – trotz stetig fallender Inzidenz – weiter beschränkt, anstatt sie zu lockern. Auslöser waren Szenen in der Sternschanze, die auch ohne Corona kein Mensch gebraucht hätte. Nun stellen sich diese Hotspots allerdings als Eigentor für den Senat dar, und die Polizei muss es mal wieder ausbaden.

Nach dem Rave, den die Polizei vor mehreren Wochen in der Sternschanze auflösen musste, reagierte der Senat nicht etwa damit, dass er sich Gedanken darüber machte, wie man eine fallende Inzidenz und den Ruf der Hamburger nach ihren Grundrechten in Einklang bringen konnte, sondern der Senat tagte wieder einmal heimlich hinter geschlossenen Türen, um dann zu verkünden, dass in den Bereichen, die von der Feierei betroffen gewesen sind, die Grundrechte weiter massiv eingeschränkt werden.

Dass es ab einer Inzidenz von 35 umfangreiche Lockerungen geben sollte, das scheinen die Verantwortlichen schon lange erfolgreich verdrängt zu haben.

Man könnte nun sagen „okay, selber Schuld, dann muss die Schanze es halt auf die harte Tour lernen“. Das wäre zwar den Betrieben gegenüber ungerecht, die sich an die Regeln gehalten haben, würde aber den Betrieben, die sich nicht an die Regeln gehalten haben – und das war leider die deutlich größere Mehrheit – ein klares Signal senden.

So kündigte es der Innensenator Andy Grote (SPD) auf einer Landespressekonferenz auch an, um es dann drei Tage später über den Haufen zu werfen: auch der Bereich Reeperbahn – inklusive vieler Nebenstraßen – wurde unangekündigt zu „Hotspots“ erklärt, obwohl dort überhaupt nichts „hot“ gewesen ist. Das musste der Innensenator auf Nachfrage zwar auch zugeben, begründete es aber auch recht schnell damit, dass man die „Ausweichflächen“ entsprechend mit „abriegeln“ muss.

Man bestraft also Betriebe im Bereich Reeperbahn für etwas, das sie nicht begangen haben. Dass das mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun hat, kümmert den Innensenator ganz offensichtlich nicht im Geringsten, im Gegenteil, eine Woche später wurden diese Hotspots sogar – natürlich wieder heimlich und unangekündigt – ausgeweitet.

Mehr und mehr wird klar, dass sich diese Regelung zu einem riesigen Eigentor für den Senat verwandelt hat: die Hamburger gehen um 23 Uhr nicht brav nach Hause, sondern ziehen weiter – an den Hafen, in viele kleine Seitenstraßen, oder in den Stadtpark, der vergangenes Wochenende Polizeiangaben zufolge etwa 7.000 Personen als Ausweichort diente.

Das Procedere war absehbar, die Polizei musste mit einem immensen Kräfteaufgebot anrücken und die verkorkste Politik des Senates durchsetzen. Dass ihnen da anstatt viel Liebe eher ein paar Flaschen entgegen flogen, ist zwar indiskutabel und falsch, allerdings ist der Frust, der hinter solchen Aktionen steckt, menschlich absolut nachvollziehbar.

Bombastisches Wetter, monatelanges Ausharren in den eigenen vier Wänden, obwohl dies nie wirklich nötig gewesen zu sein scheint, Gängelungen der Politiker, die von den Beschränkungen größtenteils ausgenommen gewesen sind, und stetig fallende Inzidenzen – in Hamburg sind, Stand gestern, nur noch 0,05% der Hamburger positiv getestet (was noch nicht einmal heißt, dass sie andere anstecken können), oder anders formuliert: 99,95% der Hamburger sind, was Corona betrifft, gesund oder genesen.

Dass für 0,05% positiv Getestete die ganze Stadt nach wie vor größtenteils im Lockdown verharrt und mit massiven Grundrechtseinschränkungen auskommen muss, auch wenn der Bürgermeister das in seiner eigenen Welt offensichtlich ganz anders wahrnimmt, sorgt dann dafür, dass es selbst den pflichtbewusstesten „Regeln-Akzeptierern“ irgendwann reicht.

Wir haben den Senat heute gefragt, warum das Tanzen unter freiem Himmel immer noch verboten ist. Wir wollten wissen, wann das absolut unsinnige Alkoholverbot ab 23 Uhr aufgehoben wird, das ursächlich für die Szenen im Stadtpark ist. Und wann man wieder in Clubs feiern kann, wie im Nachbarland Niedersachsen, oder neuerdings auch in Mecklenburg-Vorpommern. Der geneigte Leser wird die Antwort schon erahnen: in dieser Hinsicht ist „derzeit“ nichts geplant.

Wann denn dann? Bis wohin muss die Inzidenz noch fallen, damit der Senat endlich in der Wirklichkeit ankommt? Auch das, Sie ahnen es schon, konnte man nicht beantworten.

Die steigende Kriminalität im Stadtpark, die Ausschreitungen gegenüber Polizisten, die als Spielball zwischen Bürgern und Politik einen derzeit absolut nicht beneidenswerten Job haben, das alles sind hausgemachte Probleme des Senats.

Anstatt angemessen darauf zu reagieren und zu erkennen, dass die eigenen Entscheidungen auch mal die falschen gewesen sein können, versucht der Senat unter Inkaufnahme aller weiteren Absurditäten an seinem nicht mehr nachvollziehbaren Kurs festzuhalten und hat ganz offensichtlich vergessen, dass er den Bürgern zu dienen hat, und nicht andersherum.