Massive Kritik an Polizeieinsatz gegen Jugendlichen – zu Recht? (UPDATE)

Polizei geht gegen Jugendlichen vor
Polizei geht gegen Jugendlichen vor - Bildnachweis: Screenshot Twitter

Mitte – Gestern kam es in der Neustadt (Kohlhöfen) um 13:05 Uhr zu einem Polizeieinstz, bei dem zeitweise bis zu acht Polizisten mit teils gezogenen Waffen gegen einen Jugendlichen vorgingen. Entsprechende Videos machen die Runde, der Aufschrei ist groß. Was ist passiert?

Die Vorgeschichte

Glaubt man den Angaben der Polizei, traf gestern Mittag ein Stadtteilpolizist zum wiederholten Mal einen Jugendlichen auf einem E-Scooter an, der damit verbotswidrig auf dem Fußweg fuhr.

Der Polizist gibt an, den Jugendlichen in der Vergangenheit bereits mehrfach auf einem E-Scooter auf dem Fußweg fahrend angetroffen zu haben. Bisher verwarnte er ihn allerdings immer nur mündlich. Für den nächsten Verstoß hat der Polizist eine Ordnungswidrigkeitenanzeige angedroht.

Diese Androhung wollte der Polizist gestern nun in die Tat umsetzen und forderte daher von dem Jugendlichen, sich auszuweisen, was dieser abgelehnt haben soll.

Die Polizei gibt an, auch „alternative Angebote“ zur Personalienfeststellung unterbreitet zu haben. So hätte man angeboten, eine nahe gelegene Schule zu besuchen, an der der Jugendliche vermutlich Schüler gewesen sein soll, um seine Identität dort bestätigen zu lassen. Auch das soll der Jugendliche abgelehnt haben.

Polizei geht mit massivem Personaleinsatz gegen den Jugendlichen vor

Da sich der Jugendliche laut Angaben der Polizei extrem gegen die Maßnahmen gesperrt haben soll, mit seinen Armen um sich geschlagen und Polizisten weggeschubst haben soll, forderten die Polizisten Unterstützung an. Auf später aufgetauchten Videos ist von diesen Vorwürfen der Polizei allerdings nichts zu sehen. Auch das Ballen der Faust, von der die Polizei in einem Statement des heutigen Tages spricht, ist nicht zu erkennen.

Das Video setzt allerdings auch erst später ein, zu einem Zeitpunkt, in der die Eskalation bereits im Gange ist. Ob die Darstellung der Polizei zutrifft, kann also anhand der Videos nicht belegt werden, aber auch nicht widerlegt werden.

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Keine Frage, der Jugendliche verhält sich alles andere als kooperativ und ist für seine 15 Jahre von beeindruckender Statur und Größe. Allerdings darf auch nicht verschwiegen werden, dass die Polizei es täglich auch mit Personen von ganz anderem Kaliber zu tun hat und dort oft mit deutlich weniger Mannstärke klarkommt.

Es kommt auf dem Video zu gelegentlichem Gerangel, der Jugendliche wird mehrfach aufgefordert, sich hinzulegen, kommt dieser Aufforderung jedoch nicht nach.

Zu diesem Zeitpunkt stehen bereits Polizisten mit einsatzbereiten Waffen (Teleskopschlagstock, Pfefferspray) um den Jugendlichen herum, der dann wiederum demonstrativ sein T-Shirt auszieht.

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Brisant an der ganzen Szene: wie sich mittlerweile herausgestellt hat, ist der Jugendliche trainierter Boxer – ironischerweise beim SV Polizei.

Beim Versuch, sich das T-Shirt auszuziehen, greift die Polizei zu und bringt den Jugendlichen zu Boden. Hierbei ist es nach Angaben der Polizei auch zum Einsatz von Pfefferspray gekommen, was der Grund für die Rufe „Ich kann nicht atmen“ des Jugendlichen gewesen sein dürfte. Eine Rettungswagenbesatzung, die den Jugendlichen später auf der Wache untersucht hat, konnte keine Verletzungen feststellen.

Polizei versucht, Videoaufnahmen zu unterbinden

Auf dem Video ist ebenfalls zu hören, wie eine Polizistin immer wieder auf die Erstellerin des Videos einredet und sie auffordert, das Filmen einzustellen. Sollte sie sich weigern, wäre „das Handy weg“.

Diese Androhung ist unrechtmäßig, die Polizei hat hier auch ein Fehlverhalten der Beamtin eingeräumt und wird die eingesetzten Polizisten noch einmal auf das Fehlverhalten hinweisen und entsprchend nachschulen.

Grundsätzlich ist es gestattet, Szenen im öffentlichen Raum zu fotografieren und auch zu filmen. Anders sieht das aus, wenn beispielsweise einzelne Personen, und zwar egal, ob Polizisten, Täter oder Opfer, besonders aus der Aufnahme herausstechen. Das wäre beispielsweise bei einer Verkehrskontrolle der Fall, bei der der Polizist im Vordergrund der Aufnahme stünde. In diesem Falle überwiegt sein Persönlichkeitsrecht.

„Dezernat Interne Ermittlungen“ hat die Ermittlungen aufgenommen

Die „Polizei der Polizei“ hat die Ermittlungen bereits aufgenommen, es gibt entsprechende Strafanzeigen gegen die eingesetzten Beamten.

Diese Stranfanzeigen wurden jedoch nicht von dem Jugendlichen erstattet, sondern von Unbeteiligten.

Vorgehen rechtmäßig, Verhältnismäßigkeit ist allerdings zu prüfen

Das Vorgehen der Polizei als Ganzes ist als rechtmäßig zu beurteilen. Der Jugendliche hat trotz mehrmaliger mündlicher Ermahnungen nicht darauf verzichten wollen, verbotswidrig den Fußweg mit einem E-Scooter zu befahren.

Die anschließende Kontrolle verweigerte er und wehrte sich gegen die Überprüfung. Ob er wirklich die Faust geballt hat, mit den Armen um sich geschlagen hat, oder anders provozierend auftrat, kann derzeit nicht neutral beurteilt werden. Vor diesem Hintergrund muss nun besonders gründlich geprüft werden, ob das Vorgehen der Polizei verhältnismäßig gewesen ist, also ob das mildeste Mittel des Zwangs eingesetzt wurde.

Die Polizei bejaht dies natürlich und weist darauf hin, dass beispielsweise explizit kein Schlagstock zum Einsatz kam, sondern der Einsatz nur angedroht wurde.

Verumutlich wird ein Gericht darüber entscheiden müssen, ob sich die Polizei im Rahmen ihres staatlichen Gewaltmonopols korrekt verhalten hat, oder nicht.

Pauschal „Polizeigewalt!“ zu rufen, scheint bei dem Verhalten, das der Jugendliche an den Tag gelegt hat, jedoch in der gezeigten Pauschalität nicht berechtigt zu sein.

UPDATE: Details zum Jugendlichen und seinem Verhalten werden bekannt

Am heutigen Tag (19. August) wurden einige Details zu dem Jugendlichen bekannt. Bei dem 15-jährigen Kadir H. handelt es sich für die Polizei um keinen Unbekannten.

Fünf Mal wurde er auffällig: gefährliche Körperverletzung und Diebstahl gehen bisher auf sein Konto. Ob die eingesetzten Beamten hiervon zum Einsatz schon Kenntnis hatten, ist derzeit noch unklar.

Wie Bild berichtet, habe sich der Jugendliche noch in der Zelle bei den Polizisten entschuldigt und eingeräumt, die Polizei provoziert zu haben.

In einem mittlerweile aufgetauchten Video räumt der Jugendliche die Vorwürfe der Polizei im Wesentlichen ein:

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Es wird nun durch ein Gericht zu klären sein, ob die Anwendung der Gewalt durch die Polizei verhältnismäßig, und somit auch rechtmäßig, gewesen ist, oder ob die Polizei mildere Mittel hätte anwenden können und müssen.